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NIO – Wettbewerbsdruck durch Tesla und BYD nimmt zu

13.07.2023 · von Egmond Haidt

Beim chinesischen Elektroautohersteller NIO ist die Profitabilität eingebrochen. Kann er das sehr ambitionierte Absatzziel für das Gesamtjahr erreichen?

Des einen Freud, des anderen Leid: Der Hype am Tesla scheint keine Grenzen zu kennen, wohingegen NIO zusehends Gegenwind verspürt. Während das Absatzwachstum von E-Autos in den vergangenen Monaten in China deutlich zurückgegangen ist, und gleichzeitig Tesla und der chinesische Anbieter BYD die Preise deutlich gesenkt und damit die eigenen Verkäufe angekurbelt haben, hat der dortige Produzent NIO Marktanteile verloren.

Das spiegeln die Zahlen von NIO für das erste Quartal klar wider. Dabei war der Absatz um lediglich 20,5 Prozent auf 31.041 Fahrzeuge gestiegen. Weil die Kunden dabei auch noch verstärkt bei preiswerteren Modellen zugegriffen haben, ist der Umsatz um lediglich 7,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr auf 10,7 Mrd. Renminbi (1,6 Mrd. Dollar) geklettert. Gegenüber dem vierten Quartal 2022 stand sogar ein Einbruch um 33,5 Prozent zu Buche.

Dabei sind die Einnahmen aus dem Verkauf neuer Fahrzeuge um 0,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr auf 9,2 Mrd. Renminbi gesunken. Der Rest entfiel auf die Sparte „andere Umsätze“, die das Reparatur- und Wartungsgeschäft, das Finanzierungsgeschäft, den Verkauf von Zubehör und von Gebrauchtfahrzeugen bündelt. Die Einnahmen der Sparte haben sich mehr als verdoppelt.

Zudem ist der Bruttogewinn auf Konzernebene um fast 90 Prozent gegenüber dem Vorjahr auf nurmehr 162,3 Mio. Renminbi eingebrochen, womit die Bruttomarge von 14,6 Prozent auf nurmehr 1,5 Prozent kollabiert ist. Außerdem ist der operative Verlust, gemessen am Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit), um mehr als 130 Prozent auf 5,1 Mrd. Renminbi nach oben geschossen.

Vorläufige Absatzzahlen sorgen für Erleichterung

Am 1. Juli hat NIO dann gemeldet, dass der Absatz im zweiten Quartal um 6,1 Prozent auf 23.520 Fahrzeuge gesunken ist, womit immerhin das untere Ende der von Vorstandschef William Bin Li prognostizierten Spanne von 23.000 bis 25.000 Fahrzeuge erreicht worden ist. Das hat für deutliche Erleichterung bei Investoren und damit einer Erholung der Aktie gesorgt.

Dabei hatten sich die Auslieferungen im Juni nach den schwachen Monaten April und Mai deutlich beschleunigt auf 10.707 Fahrzeuge. Dazu dürfte der neue SUV ES6 beigetragen haben, dessen Verkaufsstart der 24. Mai war. Am 15. Juni folgte dann jener der neuen Limousine ET5.

Für das zweite Quartal hat Li zudem einen Konzernumsatz von rund 8,7 bis 9,4 Renminbi in Aussicht gestellt. Analysten gehen von 9,3 Mrd. Renminbi aus, was einen Rückgang um 9,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr bedeutet. Die Vorlage der Halbjahresergebnisse erfolgt üblicherweise Anfang September.

Am 12. Juni, also wenige Tage nach der Veröffentlichung der Zahlen zum ersten Quartal, hat NIO-Chef Li auf die Maßnahmen von Tesla und BYD reagiert und ebenfalls deutliche Preissenkungen angekündigt.

Extrem ambitionierte Absatzprognose

Zwar will er den Absatz im Gesamtjahr auf rund 250.000 verdoppeln. Dazu müssten die Auslieferungen im zweiten Halbjahr allerdings auf knapp 200.000 Fahrzeuge nach oben schießen. Es fällt mir ehrlich gestanden schwer vorzustellen, wie NIO das auch nur annähernd schaffen will.

Zudem verschiebt NIO einige Investitionen, inklusive in Forschung und Entwicklung, und treibt die Expansion nach Europa langsamer voran als geplant. Zudem hat das Unternehmen das ursprüngliche Ziel, im vierten Quartal 2023 beim operativen Ergebnis den Breakeven zu erreichen, um bis zu ein Jahr verschoben.

Zudem haben die Käufer neuer Fahrzeuge seit Mitte Juni nicht mehr die Möglichkeit, die Batterien an den Stationen von NIO kostenlos zu tauschen, um sich so das zeitaufwändige Aufladen zu sparen. Die Firma bietet diesen Dienst bislang an, demnach Kunden ihre Batterien pro Monat mindestens vier Mal kostenlos tauschen können.

Damit war NIO einer der wenigen Hersteller von E-Autos, die dieses Angebot bereitgestellt hatten, was Konkurrenten wie Tesla aufgrund fehlender Massentauglichkeit frühzeitig verworfen hatten. Bei Investoren war daher diese Offerte von NIO wegen der Kosten auf wenig Begeisterung gestoßen.

Abu Dhabi übernimmt Sieben-Prozent-Anteil

Allerdings gibt es einige Investoren, die offenbar die Zukunft des E-Autohersteller positiv einschätzen. So hat am 20. Juni CYVN, eine von Abu Dhabi kontrollierte Investmentfirma, angekündigt, einen Sieben-Prozent-Anteil an NIO zu übernehmen.

Wie schätzen Analysen die Umsatz- und Ergebnisaussichten ein? Sie sagen für 2023 ein Umsatzwachstum von einem Drittel auf 65,8 Mrd. Renminbi vorher. Allerdings soll der operative Verlust um mehr als 20 Prozent auf 16,4 Mrd. Renminbi steigen. Im kommenden Jahr soll er dann auf rund 8,3 Mrd. Renminbi halbiert werden.

In den nächsten Monaten muss NIO-Chef Li zeigen, ob er den Absatz im zweiten Halbjahr 2023 tatsächlich rasant steigern kann, denn nur so kann Li für eine nachhaltige Trendwende nach oben bei der Aktie sorgen.

BNP Paribas bietet auf die Aktie von NIO (A2N4PB) neben Mini Futures und Unlimited Turbos auch Faktor Optionsscheine an.

Egmond Haidt

Nach der Bankausbildung und dem BWL-Studium arbeitete er ab 2000 als Redakteur bei BÖRSE ONLINE. Seit Juli 2013 ist der Finanzjournalist als Freiberufler tätig. Jeden Dienstag ab 18 Uhr analysiert er die neuesten Entwicklungen am Finanzmarkt in der Sendung Euer Egmond.

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