Verkaufssignal bei Inflation

28.04.2023 · von Olaf Hordenbach

Lässt sich die Inflationsrate wie eine Aktie mithilfe der Charttechnik analysieren? Warum nicht? Also auf gehts, das Ergebnis ermutigt. Das mittelfristige Kursziel für die Inflation liegt bei einer Unterstützung im Bereich von zwei Prozent.

Haben Sie sich schon mal vorgestellt, die Inflation wäre ein Unternehmen, das börsennotiert ist und von dem Anleger ganz normale Aktien kaufen könnten? O. k., ein etwas wirrer Gedanke, aber vielleicht ganz interessant und hilfreich. Denn wenn die Inflation nicht die Teuerungsrate wäre, sondern ein Unternehmen, dann könnten dessen Aktien mithilfe der Charttechnik untersucht und über den weiteren Kursverlauf Aussagen getroffen werden. So weit die Annahme. Doch ist so ein Vorgehen legitim? Kann man die Inflationsrate wie eine Aktie mit der Charttechnik analysieren?

Was hinter der Charttechnik steckt. Damit nähern wir uns der Frage nach dem Sinn und Zweck von Charttechnik. „Ein Chart sagt mehr als tausend Worte“, sagen Charttechniker. Vielleicht nicht ganz zu Unrecht, denn ein Chart spiegelt ja letztendlich das Verhalten von Menschen an der Börse wider und beinhaltet damit im Grunde genommen alle wichtigen Informationen, auch fundamentaler Natur. Auch Bilanzdaten eines Unternehmens spiegeln sich im Chart wider, da die Menschen diese Daten zuvor gelesen und in ihrem Kopf verarbeitet haben. Gehen sie dann an die Börse und handeln das Unternehmen, fließen damit auch ihre Gedanken in ihr Handeln und damit in den Chart ein.

Zur Erinnerung: Ein Chart entsteht, wenn Käufer und Verkäufer etwa eine Aktie handeln. Dadurch entstehen Kauf- und Verkaufskurse, die man miteinander verbinden kann. Am Ende lassen sich sogar Formationen aus diesen Verbindungen, sogenannte Chartformationen, herleiten, mit deren Hilfe man Aussagen über den weiteren Verlauf einer Aktie treffen kann. Denn das Zusammentreffen von Käufern und Verkäufern ist ja nicht völlig zufällig und unsinnig. Sie kaufen und verkaufen, weil sie auch die Vergangenheit vor Augen haben. Sie steigen ein oder stoßen ab, weil eine Aktie ein bestimmtes Niveau erreicht hat, das schon mal von einigen Anlegern zum Ein- oder Ausstieg genutzt wurde. Nun setzt man darauf, dass es sich diesmal auch so verhält. Und je mehr Menschen auf solche Kauf- oder Verkaufsniveaus achten, desto eher treten sie dann auch ein.

Dafür gibt es auch einen Begriff: „self-fulfilling prophecy“ oder im Deutschen die „selbsterfüllende Prophezeiung“. Je mehr Menschen an etwas glauben, desto wahrscheinlicher ist sein Eintreten. Ein Phänomen, das es nicht nur an der Börse gibt. Viele Abläufe in der Wirtschaft, etwa das Verhalten von Konsumenten und Herstellern, lassen sich mit selbsterfüllenden Prophezeiungen erklären. Und auch der Mensch an sich ist davon nicht frei. Der Placebo-Effekt beschreibt ein ähnliches Phänomen, das durchaus wissenschaftlich belegt ist. Glaubt man fest an die Wirksamkeit eines Medikaments, dann kann dieses, obwohl im Test ohne Wirkstoff, sehr wohl eine heilsame Wirkung entfalten.

Inflation als Aktie. Und das soll auch für die Inflation gelten? Warum nicht? Auch die Inflation ist ja letztendlich das Ergebnis menschlichen Handelns. Weil Menschen Güter kaufen, die knapp sind, steigen die Preise. Wenn sie die Güter nicht kaufen würden, würden auch die Preise auch nicht steigen. Das passiert ja auch in der Praxis. Wenn zum Beispiel eine Obstsorte besonders viel kostet, satteln die Konsumenten um und kaufen ein anderes Obst. Auch die Inflationsrate spiegelt damit menschliches Verhalten wider, wie das auch bei Aktienkursen der Fall ist.

Unter diesem Aspekt lässt sich etwa die deutsche Inflationsrate also durchaus wie eine Aktie behandeln. Und was sagt die Charttechnik aktuell zur Inflation? Schauen wir uns die Aktien des Unternehmens „Inflation“ mal an. Wir können feststellen, dass es nach dem Durchbruch des Widerstands bei 2 Prozent steil nach oben ging und ein Aufwärtstrendkanal ausgebildet wurde. Im Laufe des Jahres 2022 kam es dann zur Ausbildung eines Doppeltops, zweier aufeinanderfolgender Hochs. Die zeigen an, dass auf der Käuferseite eine gewisse Ermüdungserscheinung festzustellen ist, man ist nicht bereit, noch höhere Preise zu zahlen. Der Trendkanal wurde nach unten verlassen, dabei wurde sogar eine Unterstützung bei 8 Prozent gebrochen. Das ist in den Augen der Charttechniker eine Trendumkehrformation, nach dem Aufwärtstrend könnte es nun zu einem Abwärtstrend kommen. Ziel dieses Abwärtstrends wäre – zumindest mittelfristig – der Bereich um 2 Prozent, da nur hier eine starke Unterstützung auszumachen ist.

Das aktuelle Verkaufssignal lässt sich mit bestimmten Indikatoren untermauern, etwa mit den deutschen Importpreisen, die wir im Sinne eines Stochastik-Indikators interpretieren. Der Stochastik-Indikator basiert auf der Beobachtung, dass in einer Aufwärtsbewegung der Schlusskurs nahe dem Tageshoch liegt und analog in einer Abwärtsbewegung nahe dem Tagestief. Die Trendumkehr ist häufig dadurch gekennzeichnet, dass sich die täglichen Schlusskurse mehr und mehr in die Gegenrichtung entwickeln, um bei einem endgültigen Bruch der vorherrschenden Trendreaktion dann auf Tagestief (nach Aufwärtsreaktion) beziehungsweise auf Tageshoch (nach Abwärtsreaktion) zu schließen. Als Stochastik-Indikator wählen wir die Importpreise, die ja auch in die Berechnung der Inflation einfließen. Vorteil der Importpreise: Sie reagieren sehr schnell auf Veränderungen und signalisieren somit früh mögliche Trends bei der Inflation. Die Importpreise sind zum Beispiel Anfang 2020 zurückgegangen, kurze Zeit kam auch die Inflation zurück. Und derzeit? Auch jetzt sind die Importpreise deutlich zurückgekommen, was den oben prognostizierten Trendwechsel untermauert.

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