Kontaktieren Sie uns
Sprechen Sie mit einem Produktexperten*
Schreiben Sie uns eine E-Mail
Menü
Eine Geschichte ohne Ende

Die Beschränkung der Verlustverrechnung bei Verlusten aus Termingeschäften steht erneut im Fokus der Finanzgerichte. Zen-trale Frage dabei: Ist sie verfassungskonform? Dazu gibt es unterschiedliche Interpretationen. Wir fassen zusammen.
Die bereits in den zurückliegenden Ausgaben an dieser Stelle mehrfach zitierte „unendliche Geschichte“ der eingeschränkten Verlustverrechnung bei Verlusten aus (i) Aktien (§ 20 Abs. 6 S. 4 EStG), (ii) Termingeschäften (§ 20 Abs. 6 S. 5 EStG) und (iii) dem wertlosen Verfall von Kapitalanlagen (§ 20 Abs. 6 S. 6 EStG) ist nun um eine weitere Episode reicher. Die Verrechnung von Verlusten aus Termingeschäften wie beispielsweise CFDs ist seit dem 1. Januar 2021 auf 20.000 Euro beschränkt. Eine Verrechnung von Verlusten aus Termingeschäften wie CFDs, Optionen, Swaps und Futures (zur Definition eines Termingeschäfts siehe BMF-Schreiben vom 19.5.2022; Rz. 9) kann bis zu dem oben genannten Betrag lediglich mit Gewinnen aus Termingeschäften und Stillhalterprämien erfolgen (siehe § 20 Abs. 6 S. 5 EStG). Entgegen dem eigentlichen Sinn und Zweck der Abgeltungsteuer kann die Verrechnung dieser Verluste lediglich im Rahmen der Steuererklärung des jeweiligen Steuerpflichtigen beziehungsweise Anlegers erreicht werden. Nicht verrechnete Verluste können auf Folgejahre vorgetragen werden und können im nächsten Jahr bis zu einer Höhe von 20.000 Euro mit Gewinnen aus Termingeschäften und Stillhalterprämien verrechnet werden. Sollten in den Folgejahren keine weiteren positiven verrechenbaren Gewinne/Einkünfte erzielt werden, können die vorgetragenen Verluste nicht gegen andere Einkünfte aus Kapitalvermögen oder andere Kategorien von Einkünften im Sinne des Einkommensteuergesetzes verrechnet werden.
Gerichtliches Hin und Her. Der CFD-Verband führte unter dem Aktenzeichen 10 K 1091/23 beim Finanzgericht Baden-Württemberg einen Prozess zur beschränkten Verrechnung von Verlusten aus Termingeschäften. Die Klage des Interessenverbands beziehungsweise des Steuerpflichtigen richtete sich gegen die vorgenannte eingeschränkte Möglichkeit der Verlustverrechnung. In dem angesprochenen Verfahren stand das Veranlagungsjahr 2021 zur Diskussion. Das Finanzgericht Baden-Württemberg hat die Musterklage mit Urteil vom 29.4.2024 abgewiesen.
Die Revision wurde allerdings aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung und zur notwendigen Fortbildung des Rechts zugelassen. Das zuständige Finanzgericht äußerte in der Urteilsbegründung Zweifel und Bedenken zur Verfassungsmäßigkeit. Die bestehenden Zweifel und Bedenken sind allerdings nicht ausreichend, um den direkten Weg zum Bundesverfassungsgericht zu gehen. Nach Auskunft des CFD-Verbands hätte das Finanzgericht davon überzeugt sein müssen, dass die Norm des § 20 Abs. 6 S. 5 EStG verfassungswidrig ist, um eine sogenannte „Richtervorlage“ zu erreichen. Diese Punkte hat nun der zuständige Senat des Bundesfinanzhofs im Revisionsverfahren zu eruieren. Das Revisionsverfahren ist beim Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen VIII R 11/24 anhängig. Zu dem weiteren Zeitplan beziehungsweise einem Datum des Verhandlungstermins liegen uns zum aktuellen Zeitpunkt keine Informationen vor.
Der Stand der Dinge. Das Finanzgericht Baden-Württemberg hat sich somit in dieser Rechtssache (Aktenzeichen: 10 K 1091/23) abweichend vom Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz (Aktenzeichen: 1 V 1674/23 anhängig vor dem BFH unter Az. VIII B 113/23) geäußert. Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz hatte noch erhebliche Bedenken bezüglich der Verfassungsmäßigkeit des § 20 Abs. 6 S. 5 EStG angemeldet.
Der Stand der oben genannten Verfahren und Verlustverrechnungsbeschränkungen lässt sich wie folgt zusammenfassen:
▪ Die Frage der Verfassungswidrigkeit der Verluste aus Aktien wurde vom Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen VIII R 11/18 entschieden und dem BVerG zur Entscheidung vorgelegt.
▪ Die Frage der beschränkten Verrechnung von Verlusten aus Termingeschäften wurde durch zwei Finanzgerichte entschieden: FG Baden-Württemberg (Aktenzeichen: 10 K 1091/23), anhängig vor dem BFH unter Az. VIII R 11/24, und FG Rheinland-Pfalz (Aktenzeichen: 1 V 1674/23), anhängig vor dem BFH unter Az. VIII B 113/23.
▪ Zur Frage der Verfassungswidrigkeit der Verrechnungsbeschränkung bei Verlusten aus dem wertlosen Verfall von Kapitalanlagen liegen uns keine Informationen zu finanzgerichtlichen Verfahren vor.
Weitreichende Folgen. Letztgenannter Fall ist für Inhaber von Optionsscheinen und Zertifikaten von großer Bedeutung, da es sich bei Verlusten aus Zertifikaten und Optionsscheinen gerade nicht um Verluste aus Termingeschäften handelt. Aufgrund der Wesensähnlichkeit zur Verlustverrechnungsbeschränkung bei Aktien- und Termingeschäften sollten hier aber entsprechende Rückschlüsse möglich sein.
Für Anleger bleibt die Situation wenig zufriedenstellend. Die unterschiedlichen Auffassungen der Finanzgerichte, die aktuell laufenden finanzgerichtlichen Verfahren und das ausstehende Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur eingeschränkten Verrechnung bei Verlusten aus Aktien bringen ein hohes Maß an Komplexität mit sich. Mit dem Blick nach vorne bleibt das wünschenswerte Szenario aus Sicht der Anleger, dass sich der Gesetzgeber erneut dieser Thematik annimmt und eine entsprechende Vereinfachung vornimmt, um die Regelung auf verfassungsrechtlich stabile Beine zu stellen sowie eine aus Anlegerperspektive wirtschaftlich verständliche Steuerbelastung zu gewährleisten.
Franz Schober ist Steuerberater im Tax Department Germany der BNP Paribas S.A. Niederlassung Deutschland. Zuvor war er als Steuerberater bei einer Beratungsgesellschaft und einem inländischen Kreditinstitut tätig. Er ist auf die Besteuerung und Strukturierung von Kapitalanlagen spezialisiert und Autor zahlreicher Fachbeiträge.