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Hauptsache satt

Rekordzahlen beim Nudelimport als Wirtschaftssignal Deutschlands
Die Deutschen essen gern, vor allem viel und günstig. So lautet zumindest meine Interpretation der jüngsten Zahlen aus der Nahrungsmittelbranche. Demnach wurden im zurückliegenden Jahr so viele Nudeln wie nie zuvor nach Deutschland eingeführt, insgesamt waren es 440.300 Tonnen im Wert von 642 Millionen Euro. Gegenüber 2013 entspricht das von der Menge her einem Zuwachs von über 20 Prozent und gegenüber 2022 einem Plus von immerhin noch 5,3 Prozent. Nun, Nudeln sind ja gar nicht ungesund, je nach Zubereitung auch durchaus eine Delikatesse. Dennoch, Nudelgerichte sind eher günstig, mit einem Klecks Tomatenketchup obendrauf geradezu billig.
Und da sind wir auch schon beim Thema. Dass das Essen billig sein soll, ist einerseits typisch deutsch, in Frankreich sieht man das ganz anders. Andererseits ist es vielleicht auch Ausdruck einer gewissen wirtschaftlichen Not. Wenn für Miete, Benzin und Kleidung schon alles an Geld draufgeht, dann bleibt für das Essen halt weniger übrig. Deutschland steckt in der Krise, wie viele andere Länder auch, aber noch ein Stück mehr als alle anderen. Immerhin wird unser Land in diesem und im kommenden Jahr das Schlusslicht in Sachen Wirtschaftswachstum in der Euroregion sein. Das ist schon bemerkenswert. Wie kann es sein, dass die größte Volkswirtschaft in Europa und die drittgrößte der Welt die rote Laterne in der Hand hält? Wie kann es sein, dass sich ausgerechnet das Land, das sich vor einigen Jahren über die Wirtschaftsschwäche in Griechenland, Spanien und Italien mokiert hat, nun selbst zum Ziel von Spott und Hohn gemacht hat?
Tja, das ist die „Eine-Million-Euro-Frage“, sagt mir Geraldine Dany-Knedlik vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, kurz DIW, in Berlin. Mit der Volkswirtschaftlerin habe ich mich für die neue Ausgabe von MÄRKTE & ZERTIFIKATE über Deutschland unterhalten. Unser Land, so höre ich, steckt in so einer Art Doppelkrise, bestehend aus konjunkturellen Problemen und strukturellen Herausforderungen. Letztere sind etwa die hohen Energiepreise und der Facharbeitermangel. Beide treffen auch andere Länder, aber Deutschland insbesondere, weil die deutsche Industrie sehr energiehungrig und extrem auf Facharbeiter angewiesen ist. Und genau jetzt bekommen unsere Produkte, auf die wir so stolz sind – ich sage nur „Auto“ – auf dem Weltmarkt auch noch zunehmende Konkurrenz. Angesichts dessen kann es schon Sinn machen, den Gürtel enger zu schnallen und auf Nudelgerichte umzustellen, mit einem großen Klecks Ketchup obendrauf. Mmmh, schmeckt zwar nicht, macht aber satt. Mehr scheint im Moment nicht drin.
Olaf Hordenbach
Olaf Hordenbach ist Chefredakteur des Kundenmagazins von BNP Paribas MÄRKTE & ZERTIFIKATE. Zuvor war er über viele Jahre Chefredakteur eines großen deutschen Börsenmagazins. Nun ist er seit 17 Jahren selbstständiger Finanzjournalist.
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