Nachhaltig investieren
Deglobalisierung hat viele Facetten – auch bei der Nachhaltigkeit
Die Deglobalisierung, verstanden als Rückgang der internationalen Verflechtungen von Handels- und Finanzströmen und Verringerung von grenzüberschreitenden Investitionen, wird mittel- und längerfristig auch die Umstellung der Wirtschaft in Richtung Nachhaltigkeit beeinflussen. Die Wende erfolgte bereits vor mehr als zehn Jahren und war nicht vom ehemaligen US-Präsidenten Trump eingeleitet worden. Messbar ist die Globalisierung beziehungsweise ihre Gegenentwicklung am Anteil des Außenhandels an der Wirtschaft einzelner Länder und an der Anzahl der Handelsbeschränkungen. Wobei auch hier eine detaillierte Sichtweise erforderlich ist.
Denn die Deglobalisierung ist vielschichtiger, als sie auf den ersten Blick erscheint: Es geht nicht nur um die USA und China beziehungsweise Europa und Nordamerika versus den Süden des Globus. Es geht auch um die Ambitionen weiterer größerer Länder wie Indien, Brasilien, Mexiko, Indonesien und die Türkei. Diese Länder versuchen, regionale Handelsräume zu etablieren, beispielsweise in Lateinamerika, im südlichen Afrika oder in der Region zwischen China und Russland. Einzelne von ihnen wie Indien und Indonesien sehen ihre zukünftige Rolle nicht nur mehr als Zulieferer für die weiter entwickelten Länder, sondern sie versuchen auch, vertikal integrierte Lieferketten im eigenen Land beziehungsweise in der eigenen Region aufzubauen und sich dadurch von einer Position als Lieferant billiger Arbeitskräfte für die Weltwirtschaft zu emanzipieren. Deglobalisierung lässt sich deshalb nicht einfach über quantitative Handelskennziffern erfassen, denn sie schließt eine Zunahme des grenzüberschreitenden Handels in den einzelnen regionalen Schwerpunktregionen keinesfalls aus. Chile beispielsweise hat aufgrund seiner geografischen Lage das Potenzial, längerfristig zum großen Produzenten von Wind- und Solarstrom für Südamerika aufzusteigen.
Sichtbar ist die Deglobalisierung darüber hinaus an den unterschiedlichen Nachhaltigkeits- und Energiestrategien: Europa setzt langfristig auf Wasserstoff, Wind- und Solarenergie. In den USA wird Erdgas als wichtiger Energieträger dominieren, und in China ist es die Atomkraft. Bei Halbleitern versucht China aufzuholen, aber hier liegen die USA und, punktuell, Europa vorne, und Taiwan wird auf absehbare Zeit der wichtigste Produktionsstandort bleiben.
Wie sich Unternehmen in diesem Umfeld behaupten beziehungsweise etablieren werden, hängt stark von Makrobedingungen ab. Laut Analysten werden Lieferketten und Absatzmärkte von großen Firmen zunehmend auch hinsichtlich der Deglobalisierungsrisiken untersucht – mit entsprechenden Auswirkungen auf die längerfristigen Prognosen. Umgekehrt dürften diejenigen Tech-Unternehmen besonders profitieren, die an den Nachhaltigkeitsförderprogrammen in Europa und den USA teilnehmen, die auf überlegene Technologien setzen und die sich bereits im Zuge ihrer Aufbau- und Weiterentwicklungsphasen auf kurze Lieferketten und regionale Produktion verlassen. Bei solchen Firmen entfällt dann auch die größte Herausforderung vieler weiterer Unternehmen – ihnen steht keine Transition Richtung Netto-Null bevor.
Aufgrund der zunehmenden Bedeutung von nachhaltigem Investieren berichtet Märkte & Zertifikate weekly an dieser Stelle jede Woche über Neuigkeiten am ESG-Markt sowie über die vielfältigen Aktivitäten von BNP Paribas in diesem Bereich.
Matthias Niklowitz
Matthias Niklowitz ist Analyst und Journalist in Zürich (Schweiz). Themenbereiche sind Innovationen, Nachhaltigkeit und Technologie. Nach dem Studium in Zürich (Sozial-, Umwelt- und Wirtschaftswissenschaften) arbeitete er in der universitären Forschung, bei Wirtschaftsmedien, in Banken und in Think Tanks in der Schweiz, in Frankreich, in Grossbritannien und in Deutschland. Matthias Niklowitz ist verheiratet, zur ganzen Familie gehören vier Kinder.
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