Nachhaltig investieren
Der Ukraine-Krieg brachte die Beschleunigung der Energiewende
Vor einem Jahr begann der Angriffskrieg von Russland in der Ukraine. Seit einem Jahr hat sich auch die Energiewende in Europa weiter beschleunigt, wie die kürzlich veröffentlichten Statistiken von Bloomberg NEF, einem auf Energiethemen spezialisierten Datenanbieter, zeigen. Vieles, aber nicht alles, hängt mit höheren Energiepreisen seit dem Kriegsausbruch zusammen: Wenn sich Heizkosten verdoppeln und Strompreise vervielfachen, lohnt sich die Kombination von Sparmaßnahmen und neuen Technologien besonders. Sichtbar ist das in Europa an der rasch gestiegenen Batterie-Speicherkapazität. Die hat sich 2022 gegenüber dem Vorjahr verdoppelt. Ein ähnliches Bild gibt es auch bei Solaranlagen. Hier wurde 2022 so viel neu installiert wie in den Jahren 2019 und 2020 zusammen. Bei den elek-trischen Fahrzeugen ist die 3-Millionen-Marke in Reichweite – und hier wäre noch mehr möglich gewesen, wenn es 2022 nicht einige Lieferkettenprobleme gegeben hätte. Und auch die Anzahl der neu installierten Wärmepumpen ist vergangenes Jahr von zwei auf drei Millionen gestiegen. Start-ups wie Borobotics aus der Schweiz haben einfache und flexible Bohrtechnologien entwickelt, mit denen sich die für solche Wärmepumpenanlagen erforderlichen Bohrungen einfacher und günstiger vornehmen lassen.
Kurz – trotz zahlreicher Hindernisse gelang es 2022, die Abkehr von fossilen Energieträgern in Europa stark zu beschleunigen. Neben den hohen Energiepreisen halfen auch staatliche Förderprogramme. Entscheidend waren und sind die Entscheidungen der einzelnen Konsumierenden sowie die der Investoren. Für die Konsumierenden ist die Rechnung einfach: Die Kosten ihrer neuen Anlagen werden rascher als zuvor durch Einsparungen amortisiert. Ebenso wichtig, aber nicht so offensichtlich ist die dadurch erzielte Werterhaltung beziehungsweise Wertsteigerung ihrer Immobilien. Aus Investorensicht entstehen teilweise ganz neue Branchen, bei denen die kommenden Wachstumsraten kommerziell attraktiv aussehen. Start-ups suchen Gelder risikofähiger Investoren, und in die Aktien größerer Firmen können Anleger über neu aufgelegte Fonds investieren. Die größten Herausforderungen für Investoren sind Verzögerungen, welche die zurzeit günstig aussehenden Amortisationsrechnungen ruinieren, und – damit verbunden – ein ungünstiges Timing. Verzögerungen bei der Fortsetzung der Energieumstellung entstehen beispielsweise durch die rasch aufgebauten Infrastrukturen für den Import von verflüssigtem Erdgas. Und dadurch gerät auch das Timing bei einigen Investitionen unter Druck.
Es wäre nicht das erste Mal: Nach 2006 gab es schon einmal einen Boom bei sogenannten Cleantech-Firmen. Milliarden flossen in Start-ups, von denen viele scheiterten, weil sich die Rahmenbedingungen durch die Finanzkrise verschlechtert hatten und das Rohöl plötzlich nur noch 20 Dollar pro Barrel kostete. Es spricht indes einiges dafür, dass sich jetzt die Geschichte nicht noch einmal wiederholt, denn die Preise fossiler Energieträger werden auf absehbare Zeit relativ hoch bleiben und das kommende EU-Förderprogramm wird die Investitionen schützen.
Aufgrund der zunehmenden Bedeutung von nachhaltigem Investieren berichtet Märkte & Zertifikate weekly an dieser Stelle jede Woche über Neuigkeiten am ESG-Markt sowie über die vielfältigen Aktivitäten von BNP Paribas in diesem Bereich.
Matthias Niklowitz
Matthias Niklowitz ist Analyst und Journalist in Zürich (Schweiz). Themenbereiche sind Innovationen, Nachhaltigkeit und Technologie. Nach dem Studium in Zürich (Sozial-, Umwelt- und Wirtschaftswissenschaften) arbeitete er in der universitären Forschung, bei Wirtschaftsmedien, in Banken und in Think Tanks in der Schweiz, in Frankreich, in Grossbritannien und in Deutschland. Matthias Niklowitz ist verheiratet, zur ganzen Familie gehören vier Kinder.
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