Nachhaltig investieren

01.07.2022 · von Matthias Niklowitz

Die Gründe für die Vollbremsung bei ESG-Anlagen

Seit einigen Jahren ermitteln die großen Finanzdatenunternehmen die Verhältnisse bei nachhaltigen Finanzprodukten. Neben dem Technologiesektor erwiesen sich nachhaltige Finanzanlagen als das beliebteste Thema: Insgesamt sind allein seit 2019 mehr als 300 Milliarden US-Dollar in ESG-Fonds und -Unternehmen geflossen, wie Bloomberg ermittelt hat. Rückblickend war es eine regelrechte Welle: 30 Milliarden Dollar waren es im Jahr 2019, 94 Milliarden schon 2020 und 159 Milliarden dann im vergangenen Jahr. Im Mai dieses Jahres drehte sich der Trend erstmals seit sechs Jahren – weiter reichen die Zeitreihen nicht zurück. Seither schrumpft das Volumen. Eine genaue Analyse zeigt, dass vor allem bei Aktienfonds die Abflüsse die Zuflüsse übertrafen. Die Schuldpapiere nachhaltiger Unternehmen, die in eigenen Fonds gebündelt werden, oder die weiteren Asset-Klassen innerhalb des ESG-Labels (zu nennen sind Rohstoffe, Immobilien und so weiter) meldeten insgesamt weitere, wenn auch bescheidene Zuflüsse. 

Wenn man die jüngste Entwicklung näher betrachtet, zeigt sich, dass die Verhältnisse noch weniger erfreulich sind als im Jahr 2020. Als Kulminationspunkt taucht Mitte Mai 2022 auf. Gemäß Bloomberg gab es Äußerungen des US-Unternehmers Elon Musk, wonach die nachhaltigen Finanzanlagen „ein Betrugsschema“ sind. Auch ein Manager einer britischen Großbank sprach davon, dass das „Klima kein Risiko ist, über das wir uns Gedanken machen sollten“ (der Manager wurde umgehend suspendiert). 

Selchst Prominente wie Musk können die Märkte indes nur kurze Zeit beeinflussen – siehe beispielsweise den Bitcoin-Preis. Elon Musk hat zwar viele Anhänger, seine Äußerungen bekommen indes erst Gewicht, wenn auch Fondsmanager und institutionelle Investoren auf eine Entwicklung aufspringen. Die Detailzahlen zeigen, dass die jüngste Verkaufswelle nicht von den Kleinanlegern ausgeht. Und etliche der professionellen Investoren sehen ihre Chancen zunehmend bei anderen Finanzanlagen, beispielsweise bei Fonds, die Aktien aus der Öl- und Gasbranche zusammenfassen. Diese verzeichnen im laufenden Jahr teilweise solide Zuflüsse – und besonders hohe seit Mai. Auch die Regulierung trägt ihren Teil zur aktuellen Entwicklung bei: Sowohl in Europa als auch in den USA schauen die Behörden bei ESG-Fonds und -Produkten viel genauer hin. Einzelne Großbanken sowie ihre Asset-Management-Abteilungen, die sich um die Fonds-Produkte kümmern, haben Besuch von den Untersuchungsbehörden bekommen. Der Vorwurf unisono: In den Produkten steckte beziehungsweise steckt oft nicht das, was man den Anlegerinnen und Anlegern versprochen hatte. Mutmaßlicher Tatbestand: Greenwashing. 

Inzwischen arbeitet man in Europa und in den USA an Verbesserungen. In den kommenden Monaten werden die Fondsverwaltungen viel zu tun haben: Die europäischen Geldverwalter müssen genau darlegen, ob das, was in ihren Fonds steckt, gemäß Artikel 8 beziehungsweise 9 der einschlägigen EU-Bestimmungen ESG-konform ist. Laut Analysten wird die Klärung hilfreich sein, denn fundamental sind viele ESG-Unternehmen nach wie vor überzeugend aufgestellt.

Aufgrund der zunehmenden Bedeutung von nachhaltigem Investieren berichtet Märkte & Zertifikate weekly an dieser Stelle jede Woche über Neuigkeiten am ESG-Markt sowie über die vielfältigen Aktivitäten von BNP Paribas in diesem Bereich.

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Matthias Niklowitz

Matthias Niklowitz ist Analyst und Journalist in Zürich (Schweiz). Themenbereiche sind Innovationen, Nachhaltigkeit und Technologie. Nach dem Studium in Zürich (Sozial-, Umwelt- und Wirtschaftswissenschaften) arbeitete er in der universitären Forschung, bei Wirtschaftsmedien, in Banken und in Think Tanks in der Schweiz, in Frankreich, in Grossbritannien und in Deutschland. Matthias Niklowitz ist verheiratet, zur ganzen Familie gehören vier Kinder.

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