Nachhaltig investieren
Wälder sind mehr als nur CO2-Senken
Wachsende Bäume sind nicht nur eine Freude für das Auge und, wenn man der deutschen Dichtkunst folgt, das Gemüt. Bäume entziehen der Atmosphäre CO2 und wandeln dieses Treibhausgas zusammen mit weiteren wichtigen Stoffen in vielfältig nutzbares Holz um. Dieses lässt sich für ganz unterschiedliche Zwecke nutzen und dann wieder dem natürlichen Kreislauf übergeben. Diese ideale Welt der ökologischen Kreisläufe bildet auch im Rahmen der nachhaltigen Bewirtschaftung von Landflächen ein Kernelement für die Karbonneutralität, die die EU für das Jahr 2050 anstrebt. In Europa werden zunehmend mehr Flächen für Wälder freigehalten, und das Waldflächenwachstum ist seit einigen Jahren höher als die Nutzung der Wälder. Mit anderen Worten: Es wächst mehr Holz nach als geschlagen wird.
Holz wird aber nicht nur als CO2-Senke, sondern zunehmend auch als Ersatz für bisher aus Plastik hergestellte Produkten angesehen. Dieser Aspekt wird bei der gegenwärtigen EU-Politik noch zu wenig berücksichtigt; die Politik stützt vor allem die weitere Ausbreitung von Waldflächen. Dabei zeichnet sich eine breite Steigerung der Nachfrage nach Holz ab: Es wird nicht nur in kleinem Maßstab Plastik durch Holz ersetzt, beispielsweise bei Kinderspielzeug. Zunehmend wird Holz auch zum Ersatzstoff für Beton im Gebäudebau. Das Holz wird hierbei innovativer genutzt als im traditionellen Hausbau. Der Marktanteil des Holzes liegt in der europäischen Bauwirtschaft noch bei unter drei Prozent. Große Papierstoff- und Zellstoffunternehmen, die meistens auch große Holzanbau-Sparten haben, könnten in den kommenden Jahren eine Aufwertung ihrer Wald-Portfolios erleben.
Innovationen gibt es derzeit nicht nur bei der Nutzung von Holz für Bauzwecke. Große nachhaltig arbeitende Waldbewirtschafter kommen zunehmend in die Lage, die CO2-Senkungsfunktion der Bestände zu monetarisieren, beispielsweise mit Fluggesellschaften als Gegenparteien. Waldunternehmen können damit einen zusätzlichen Strom von Einnahmen generieren. Wobei: Hierfür ist nicht nur eine gewisse Waldgröße erforderlich. Es müssen auch noch die geeigneten Rahmenbedingungen in der EU geschaffen werden, damit diese doppelte Rolle für Waldbesitzer – Verkauf des Holzes für die industrielle Nutzung und Einnahmen durch ständige neue Aufwuchsflächen – reibungslos funktioniert.
Erfahrene Investoren erinnern sich mit Schaudern an mehrere Wellen von Holz-Investments: Etwa alle 15 Jahre gab es bisher einen Boom, der teilweise von opaken Gesellschaften ausgenutzt wurde. Solche Firmen warben einige Male über Aktien- oder Fondsbeteiligungen für Holz-Nutzungsmodelle, bei denen zu oft lediglich die Kassen der Hinterleute gefüllt wurden. Und auch Schlagwörter wie „inflationsfeste Realwerte“ dürften bald wieder auftauchen. Dennoch erscheinen Holzanlagen längerfristig aus den genannten Gründen als Depotbeimischung vielversprechend – wenn mit dem Wachstum der Wälder auch das Wachstum der Vernunft bei den Investoren einhergeht.
Aufgrund der zunehmenden Bedeutung von nachhaltigem Investieren berichtet Märkte & Zertifikate weekly an dieser Stelle jede Woche über Neuigkeiten am ESG-Markt sowie über die vielfältigen Aktivitäten von BNP Paribas in diesem Bereich.
Matthias Niklowitz
Matthias Niklowitz ist Analyst und Journalist in Zürich (Schweiz). Themenbereiche sind Innovationen, Nachhaltigkeit und Technologie. Nach dem Studium in Zürich (Sozial-, Umwelt- und Wirtschaftswissenschaften) arbeitete er in der universitären Forschung, bei Wirtschaftsmedien, in Banken und in Think Tanks in der Schweiz, in Frankreich, in Grossbritannien und in Deutschland. Matthias Niklowitz ist verheiratet, zur ganzen Familie gehören vier Kinder.
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