Nachhaltig investieren
„Dunkelgrüne“ ESG-Fonds halten sich besser als die „hellgrünen“
Geopolitik und Regulierung beeinflussen seit einem Jahr die Entwicklung bei ESG-Fonds: Mit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine stiegen die Rohöl- und Erdgaspreise massiv – und davon profitierten auch die großen Ölkonzerne. Die Aktien dieser Konzerne befinden sich in der Regel aus naheliegenden Gründen nicht in ESG-Fonds. Und weil die ESG-Fonds ohne die Aktien der 2022 am besten performenden Branche auskommen mussten, schnitten diese ESG-Fonds – insgesamt betrachtet – schlechter ab als die breiten Benchmark-Vergleichsindizes.
Allerdings verwischt der Blick auf das Gesamtjahr die Unterschiede zwischen der ersten und der zweiten Jahreshälfte. Denn ab dem Sommer erholten sich etliche ESG-Fonds, weil das große US-Anti-Inflations-Wirtschaftsförderungsprogramm Solar- und Windkraft fördert. Dieser Effekt dürfte auch dieses Jahr weiter anhalten und auch die Vorzeichen bei den Performance-Vergleichen wieder drehen: Denn seit fast einem Jahr fallen die Rohölpreise wieder, womit sich die hohen Gewinne der Ölbranche nicht mehr wiederholen dürften.
Für viele Investoren sind indes die regulativen Veränderungen bei den ESG-Fonds spürbarer: Seit Sommer 2022 wechselten laut den Daten des Fondsanalyseunternehmens Morningstar 383 ESG-Fonds in niedrigere ESG-Kategorien. Zwei Drittel dieser Abstufungen erfolgten zwischen der Artikel-9-Kategorie („dunkelgrün“, die in dieser Kategorie vertretenen Firmen müssen konkret über ihre Emissionsreduktionspläne und Fortschritte berichten) und der „hellgrünen“ Artikel-8-Kategorie (hier genügen feste, aber nicht mit Zahlen untermauerte Absichten der Unternehmen, die klimabelastenden Emissionen zu senken).
Etliche dieser Wechsel erfolgten, weil die Fondsmanager unsicher waren, ob sie ausschließlich Aktien beziehungsweise Anleihen von Firmen der „dunkelgrünen“ Kategorie halten. Zudem möchte kaum mehr ein Fondsunternehmen einen Shitstorm aufgrund von Greenwashing-Vorwürfen riskieren. Auch der umgekehrte Fall, der Wechsel von Hell- zu Dunkelgrün kam vor – allerdings nur bei 17 Fonds. Die Kategorienwechsel von Artikel-9 auf 8 spielen für Investoren eine nicht zu unterschätzende Rolle. Denn während es bei vielen Fonds im vergangenen Jahr zu Abflüssen gekommen war, galt das nicht für die Artikel-9-ESG-Fonds. Wer seine Gelder nachhaltig anlegen wollte, tat dies auch – und ging hierbei offenbar auf Nummer sicher. Erste Datenpunkte von diesem Jahr weisen auf eine Fortsetzung dieser Entwicklung hin.
Das Gleiche gilt für die Performance: Zwar verfehlten die Artikel-9-ESG-Fonds gemäß Morningstar-Daten den breiten Gesamtmarkt, aber diese Fonds schnitten insgesamt etwas besser ab als die Artikel-8-Fonds. Ursache hierfür sind die vielen Tech-Aktien, die bei ESG-Fonds generell sehr beliebt sind. Wer die Kursentwicklung der wichtigsten Komponenten – Ende 2022 waren es Microsoft, ASML, Roche, Novo Nordisk, Schneider Electric, Alphabet (Google), Sanofi, LVMH, SAP und Visa – eng verfolgt, kann ziemlich gut abschätzen, ob in diesem Jahr die ESG-Fonds dem Gesamtmarkt vorauseilen werden.
Aufgrund der zunehmenden Bedeutung von nachhaltigem Investieren berichtet Märkte & Zertifikate weekly an dieser Stelle jede Woche über Neuigkeiten am ESG-Markt sowie über die vielfältigen Aktivitäten von BNP Paribas in diesem Bereich.
Matthias Niklowitz
Matthias Niklowitz ist Analyst und Journalist in Zürich (Schweiz). Themenbereiche sind Innovationen, Nachhaltigkeit und Technologie. Nach dem Studium in Zürich (Sozial-, Umwelt- und Wirtschaftswissenschaften) arbeitete er in der universitären Forschung, bei Wirtschaftsmedien, in Banken und in Think Tanks in der Schweiz, in Frankreich, in Grossbritannien und in Deutschland. Matthias Niklowitz ist verheiratet, zur ganzen Familie gehören vier Kinder.
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